Enrico in the heart of Birmingham

Private Einblicke und Eindrücke eines Westwanderers, der das Herz im Osten hat.

30.9.06

Afternoon tea und Horror

Brum, d. 30.09.06
Liebe Leser, liebe Freunde und Freundinnen!

Gestern, Freitag, d. 29.09.06, um 16 Uhr war die Welt noch in Ordnung. O.k., sagen wir sie schien in Ordnung. Kurz nach 16 Uhr konnte ich den ersten Feueralarm im Dalton Tower erleben. Ohrenbetäubender Lärm zwang mich und meine Mitbewohner unsere Zimmer zu verlassen. Im Gänsemarsch ging es dann die 17! Stockwerke treppab. Stufe für Stufe, einer nach dem anderen. Dieser Feueralarm war schon ärgerlich, weil irgendjemand aus dem 7. Stock nicht in der Lage war Eier zu kochen oder sein Teewasser anbrennen ließ, mussten alle Bewohner eines 20-stöckigen Hochhauses die Fluchtwege inspizieren! Danke, lieber Mitbewohner.

Meine Verärgerung über den Feueralarm hält sich irgendwie in Grenzen, denn ich bin immer noch schockiert von dem, was dann folgen sollte.

Haltet Euch fest! Seid gespannt!
Hier mein Bericht!

Nach dem Feueralarm konnten wir alle wieder in unsere Zimmer gehen. Bei 4oo Bewohnern des Hochhauses kann das eine lange Zeit dauern, aber zum Glück waren ja auch nicht alle Bewohner im Hochhaus bevor der Alarm ausgelöst wurde. Dennoch war es ein großes Gedränge vor den beiden Aufzügen. Enrico, wie oft abwartend und zurückhaltend, dachte nun, ach da warte ich einfach zwei Minuten und warum soll man jetzt Druck machen, und 17 Stockwerke zu Fuß wollte er auch nicht hochlaufen. Also einwenig gewartet und dann kann es ja mit dem Aufzug ins Glück und ins Zimmer gehen. Gedacht, getan!

Aber es ging nicht ins Glück und nicht ins Zimmer. Der Aufzug fuhr los und zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk stoppte er und die Lichter erloschen. Ja, dunkel war es und finster, aber nicht bitterkalt.

Britische Forscher stellen fest:
Aufzugkabinen werden durch den Fahrtwind gekühlt

In kürzester Zeit entwickelte sich in der Kabine eine höllische Temperatur. Wir waren ja auch zu zehnt, so dass dies eigentlich nicht sehr erstaunlich ist. Anfangs glaubte ich, dass dies ein Witz sei. Aber wer macht sich schon mit zehn Studenten einen Scherz? Also musste ich feststellen, dass es Realität war, bitterer Ernst! Alarmknopf drücken! Das war das Einzige, was wir tun konnten. Eine allzu extrovertierte junge englische Dame, konnte dieses nicht ertragen und schrie, wir sollten damit aufhören. Die Security bat uns auch, falls es uns nichts ausmache, mit dem Läuten der Alarmglocke aufzuhören. Schließlich waren sie ja nach FÜNF Minuten endlich eingetroffen. Irgendjemand sei auch verständigt worden. Hallo, irgendjemand? Wir waren in dieser engen, kleinen Aufzugkabine gefangen, das Kondenswasser rann die Metallwände herab wie einst im C9 in Greifswald. Wann wollte dieser irgendjemand kommen? In ZEHN Minuten! ZEHN Minuten langen Wartens wollten einfach kein Ende nehmen. Warten. Minute um Minute. Und kein Ende in Sicht. Warten. Nach insgesamt FÜNFZEHN Minuten war aber dieser irgendjemand immer noch nicht eingetroffen und ich begann, trotz des Alarmknopf-drück-Verbotes erneut den Knopf zu drücken. Für uns hieß es weiter Warten, Warten und nochmals Warten. Nach nun bereits FÜNFUNDZWANZIG Minuten dieses unheilvollen Wartens - wird die Kabine vielleicht irgenwann in den Abgrund stürzen, werden wir je gerettet werden? Werden wir in diesem Aufzug zu Asche und Staub vergehen? Angst lässt sich in solch einer Situation nur schwerlich unterdrücken! - kam die Security mit der guten Nachricht, dass der Ingenieur auf dem Wege sei. Toll! DREISSIG Minuten mussten vergehen, ehe der Ingenieur endlich eintraf. Oh Gott, waren wir alle dankbar. Ein Mann, der wusste, wo Barthel den Most holt, wo beim
Frosch die Haare wachsen und sicher auch wo die Sicherung beim Fahrstuhl einzuschalten war. Der gute Mann war auch sehr fähig. Schließlich wurden wir ja nach weiteren FÜNF Minuten also nach insgesamt FÜNFUNDDREISSIG Minuten aus unserem Gefängnis befreit.

Anfangs war das Warten für mich noch eine Reminiszens an den guten alten Kinderserienklassiker "Spuk im Hochhaus". Ihr wisst ja: "Die bösen Taten zahlt ihr teuer, so fahrt dahin mit Rauch und Feuer. Eh nicht 200 Jahre schwinden, sollt keine Ruh im Grab ihr finden. Erlösung kann euch nur geraten, vollbringt ihr sieben gute Taten." In der 3. Folge "Wie Hund und Katz" versuchen August (Heinz Rennhack) und Jette Deibelschmidt (Katja Paryla) die verfeindeten Nachbarinnen Frau Mogel und Frau Vogel zu versöhnen. Der Unterschied zu Frau Vogel und Frau Mogel war allerdings, dass wir nicht zu zweit waren, wir kein Licht hatten, der Fahrstuhl von MogelVogel auch viel größer war und unser Erlebnis bittere Realität.
Soviel nun von mir für heute,
es grüßt Euch Euer
Enrico


27.9.06

back in town

Birmingham hat mich wieder!

Am gestrigen Dienstag habe ich mich nach längerem Deutschlandaufenthalt erst der Deutschen Bahn hoffnungsvoll überlassen und bin dann mit British Airways geradewegs nach Birmingham geflogen. Ich kann euch gute Nachrichten überbringen. Es lief alles wie geplant, ohne Vorkommnisse. Dies ist auf der einen Seite zwar schade für Euch, da ich nicht so viel erzählen kann. Für mich ist es aber natürlich höchst erfreulich. Nur mein kleiner Rechner, der transportable, der wurde gestern gesaugt. Ja, er wurde gesaugt. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen Tegel wurde er auf Spuren von Chemikalien und Giftstoffen untersucht. Dazu musste ich mit der freundlichen Dame von der Security ins Hinterzimmer verschwinden, wo wiederum eine zweite wartete und das große saugende Loch bereit hielt. Was soll ich Euch sagen, keine Spuren von Chemikalien, keine Giftstoffe!
Birmingham empfing mich mit strahlendem Sonnenschein und 25 Grad Celsius! Ein herrliches Wetter. Heute, Mittwoch, den 27.09.06, allerdings zeigt Birmingham sein wahres Gesicht. Es ist wieder kalt, windig und sehr stark bewölkt. Davon ließ ich mich aber nicht stöhren, hatte ich doch heute auch einen induction day, um mit den organisatorischen Rahmenbedingungen bekannt zu werden. Morgen zeigt man uns dann noch die Bibliothek, so viele Büche (staun!) und ab Montag darf ich endlich unterrichten. Dann gibt es wieder neue Nachrichten von mir.
Bis dahin seid lieb gegrüßt!

Euer Enrico